Näheres zu ‚Feedback-orientierter PT‘

Einerseits sind die Arbeiten von Michael Lambert, einem der international angesehensten Psychotherapie-Forscher, der Hintergrund für die ‚Feedback-orientierte Psychotherapie‘. Unter dem Begriff „patient-focused research“ (also: Patienten-orientierte Forschung) veröffentlicht er seit ca. 20 Jahren Arbeiten darüber, wie wichtig es ist, sich über die Psychotherapie-Wirkung bei jedem einzelnen Klienten klar zu werden – im Gegensatz zu den üblichen Forschungen über Psychotherapie-Methoden oder Störungen (= psychische Krankheiten). So hat er in unterschiedlichen Kontexten (Gesundheits-Zentren, niedergelassene Psychotherapeuten, Studenten-Beratungsstellen usw.) die Klienten jeweils am Anfang der Sitzung ihr Befinden darstellen und am Ende der Sitzung über ihr Erleben der Sitzung Rückmeldung geben lassen.- Sein Fazit ist eindeutig: da sich in jeder Untersuchung herausstellte, dass die Wirksamkeit der Psychotherapie mit solchen Erhebungen deutlich höher ist als ohne diese, empfiehlt er, routinemäßig solche Bögen zu verwenden.

Für meine Arbeit waren und sind aber die Ideen von Scott D. Miller und Barry Duncan noch wichtiger, insbesondere dass das jeweilige therapeutische Vorgehen für den jeweiligen Klienten passen muss. Das heisst, dass es
 

  • seine/ihre Anliegen aufnimmt und dafür stimmig ist
  • innere und äussere Bewegung und Engagement bei ihm/ihr erzeugt
  • ein starkes Gefühl von Zusammenarbeit in der Therapie entstehen lässt
  • und den Klienten ermuntert auch zu artikulieren, wo die Unterstützung des Therapeuten nicht passt bzw. seine Interessen verfehlt.
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    Natürlich fragen sich alle PsychotherapeutInnen, wie sie die Therapie optimal auf den jeweiligen Klienten abstimmen können – da es ihre grundsätzliche berufliche Motivation ist, hilfreich sein zu wollen. Allerdings hat sich in wiederholten Untersuchungen herausgestellt, dass Psychotherapeuten in ihrer Bewertung, wie passend/hilfreich sie handeln, immer wieder völlig neben der Sicht ihrer Klientinnen und Klienten liegen. Deshalb ist es entscheidend für die Steuerung der Psychotherapie und damit für deren Wirksamkeit, dass diese Bewertung direkt und regelmässig (also z.B. nicht nur alle fünf Sitzungen) vom Klienten erhoben wird und dann ins therapeutische Gespräch einbezogen wird.

    Dass dies nicht nur gute Ideen sind, sondern dass dies starke Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Psychotherapie und psychologischer Beratung hat, haben inzwischen eine Vielzahl von Untersuchungen mit inzwischen mehr als 100.000 PatientInnen ergeben. Das Wertvolle an diesen Untersuchungen ist, dass diese nicht – wie in der Psychotherapie-Forschung üblich – ganz spezielle Klienten umfassten, die mit ganz speziellen Methoden von ganz speziell ausgewählten und ausgebildeten Psychotherapeuten behandelt wurden, sondern unter den Bedingungen der Normal-Versorgung gemacht wurden.

    Beispiel 1: Allen Klienten, die sich bei einer bestimmten Gesundheits-Organisation („Resources for Living“) meldeten, wurden ab einem bestimmten Zeitpunkt die Bögen gegeben, die ich auch verwende. Und zwar von allen dort tätigen 75 PsychotherapeutInnen, die keine neuen Methoden lernen mussten, sondern ihr bisheriges Vorgehen nur um diese Bögen und deren Einbeziehen ins therapeutische Gespräch erweiterten. In dem Untersuchungs-Zeitraum von 1 1/2 Jahren erfuhren mehr als 6.400 Ratsuchende auf diese Weise Hilfe. Die Wirksamkeit dieser Hilfe mit den Bögen war um 65% höher als die Wirksamkeit vor dem Verwenden der Bögen!!! (S.D.Miller, B.L.Duncan, R.Sorrell, G.S. Brown & M.B.Chalk: Using Formal Client Feedback to Improve Retention and Outcome, Journal of Brief Therapy, 2006, S.5 – 22)

    Beispiel 2: Auch bei einer 2009 veröffentlichten norwegischen Untersuchung über Paartherapie wurde dies Prinzip beibehalten: alle PsychotherapeutInnen einer normalen Familienberatungsstelle machten mit (10 PsychotherapeutInnen, unterschiedliche methodische Ausrichtungen), alle KlientInnen ab einem bestimmten Zeitpunkt wurden einbezogen (insgesamt 205 Paare; s. Anmerkung unten), die TherapeutInnen blieben bei ihrem bisherigen methodischen Vorgehen. Dies führte zu folgenden Ergebnissen: den Klienten ging es am Ende der Paartherapie in der Feedback-Bedingung (also mit Bögen) deutlich besser als in der Nicht-Feedback-Bedingung (=ohne Bögen) und dieser Unterschied ließ sich im gleichen Maße auch ein halbes Jahr nach Ende der Therapie feststellen. Die (zusammengebliebenen) Paare waren mit ihrer Partnerschaft in der Feedback-Bedingung deutlich zufriedener als in der Nicht-Feedback-Bedingung. – Diese Untersuchung erfasste noch einen besonderen Aspekt: jeder Therapeut sah bei jedem zweiten Paar deren jeweilige Bögen nicht (sondern nur die Untersucher) – die Wirksamkeit dieser Paartherapien unterschied sich nicht von der Wirksamkeit vor Untersuchungs-Beginn. Das heisst also in Klardeutsch: nur wenn die Perspektive der KlientInnen der Psychotherapeutin oder dem Berater kontinuierlich zugänglich ist, erreicht diese die höhere Wirksamkeit!!! (M. Anker, B. Duncan, & J. Sparks (2009): The effect of feedback on outcome in marital therapy. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 77(4), 693-704)

    Auf diesem Hintergrund hat Michael Lambert bereits 2010 ein klares Fazit gezogen (das in allen späteren Untersuchungen bestätigt wurde): „Psychotherapeuten sollten Feedback-Systeme regelmäßig verwenden!“ Die dadurch erreichten Wirksamkeits-Verbesserungen von Psychotherapien übertreffen die Unterschiede zwischen verschiedenen Verfahren um ein Mehrfaches! (M.Lambert: „Yes, it is time for clinicians to routinely monitor treatment outcome“. In: B.L. Duncan, S.D. Miller, B.E. Wampold & M.A. Hubble: The heart and soul of change. Delivering what works in therapy. 2.Auflage Washington: American Psychological Association, 2010, S.239 – 260)

    Anmerkung: Ausgeschlossen von der Untersuchung wurden nur die Paare, bei denen einer oder beide zur Trennung entschlossen waren oder ein Partner nicht an der Therapie teilnehmen wollte.